Der Spengler

 

In Osterham lebte in der Hausnummer 21 1/3 mit seiner Frau der ehrsame Spenglermeister Ludwig Beck. Die Hausnummer verrät schon, dass sein Grundstück mit gerade 400 Quadratmetern nicht allzu groß war. Trotzdem befand sich darauf neben seinem Haus eine angebaute Spenglerwerkstatt. Sein Auto hatte darauf nicht mehr Platz. Die kleine Garage befand sich ein ganzes Stück weg auf der anderen Seite der Straße. Ludwig war als der Spengler in den Bachorten gut bekannt. Er verstand sich auf allerlei Arbeiten, sei es mit Wasserrohren, Dachrinnen, Blechen und Schweißarbeiten. Auch vielerlei landwirtschaftliches Gerät und sogar Fahrräder und NSU Quickly Motorräder konnte man bei ihm kaufen. Seine Frau unterstützte ihn dabei mit dem Verkauf von Kleinteilen, Taschenlampen nebst Batterien, Nägeln und Schrauben.

Der Ludwig war ein freundlicher und geselliger Mann. Gerne ging er auch zum Wirt und gehörte zu den Duzfreunden und Schafkopfbrüdern des damaligen Pfarrers Kordick. Einmal beim Kartenspielen im Osterhamer Wirtshaus kam es ihm vor als hätte der Pfarrer in einem Moment der Unaufmerksamkeit einen Eichelober aus dem Ärmel seiner Sultane gezogen und damit das Spiel zu seinen Gunsten entschieden. Ludwig reklamierte, wollte aber keinen Disput mit dem Hochwürden riskieren, der das Falschspiel wehement abstritt. Es ging ja nur um ein paar Pfennige. Ganz vergessen hat der Ludwig das aber nicht.

Einige Wochen später hatte ein heftiger Gewittersturm am Pfarrhaus einige Dachziegel verdreht und das Kaminblech verschoben. Bei Regen lief das Wasser durch das Dach am Balken entlang auf den Dachboden und tropfte durch die Decke vom Planfond auf den Schreibtisch des Pfarrers. Der Spengler wurde beauftragt, sich der Sache anzunehmen und den Schaden zu beheben. Er machte sich an einem Vormittag auf den Weg, zu der Zeit zu der der Pfarrer den Schülergottesdienst und Religionsunterricht in der Schule abhielt. Die Pfarrersköchin, die Fräun Marie, die ältere Schwester des Pfarrers ließ ihn ins Haus. Er hatte seine Werkzeugtasche dabei und eine Kiste mit allerhand Blechen und Abdichtmitteln. Als Mann vom Fach hatte Ludwig den Fehler schnell gefunden und ein paar zusätzliche Blechstreifen angenietet und damit das Leck geschlossen.

Der Spengler war schon längst weg, als die Pfarrersköchin sich daran machte, den Küchenherd mit Beischel anzuheizen, um für den Pfarrer den mittäglichen Schweinsbraten zuzubereiten. Das Reisig  wollte aber nicht brennen. Rauch quoll aus allen Ritzen und im nu war die Küche verraucht. Marie riss die Fenster auf, um nicht zu ersticken. Da kam auch der Pfarrer vom Schulunterricht heim und half den schwelenden Brand im Ofen mit einem Kübel Wasser zu löschen. Er prüfte den Ofen und auch den Kamin durch das Kamintürl mit einem Spiegel. Am oberen Ende sah man den blauen Himmel. Somit blieb die Küche kalt und der Pfarrer musste sich mit Geselchtem und Brot zufriedengeben, das dieses mal noch rauchiger schmeckte.

Schließlich wurde der Kaminkehrer verständigt. Er kam nach ein paar Tagen mit dem Radl extra aus Mallersdorf. Er konnte sich den fehlenden Abzug auch nicht erklären, hatte er doch erst vor drei Wochen den Kamin sauber gekehrt. Auch er machte die Spiegelprüfung und sah keine Hindernisse im Kamin. Dann zündete er im Kamintürl ein paar Zeitungsblätter an, deren Flammen gleich wieder im eigenen Rauch erstickten. Schließlich holte er den langen Drahtbesen von seinem Fahrrad und kehrte den Schlot noch einmal kräftig durch. Als er mit der Bürste ganz nach oben fuhr, hörte man plötzlich lautes Klirren und Scheppern. Einige Glasscherben rutschten über das Dach und landeten vor der Haustür. Jetzt war die Sache klar. Der Spengler hatte dem Pfarrer einen Streich gespielt und bei der Reparatur des Dachs eine Glasplatte auf die Kaminöffnung gelegt. Das war seine Rache für das verlorene Kartenspiel.

Bei der nächsten Schafkopfrunde wurde die Geschichte dann ausführlich erzählt. Nach ein paar Runden Schnaps legte sich der Groll des Pfarrers und man konnte herzlich über den Streich des Spenglers lachen. Einzig wirklich Leidtragende bei der Geschichte war die Pfarrersköchin Fräun Marie.

 

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